Pressetexte

"Ein Papierschöpfer in Balance" von Dr. Heidrun Wirth, in: Bonner Rundschau, 11.08.2020, S. 23

 

 

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John Gerard über das Schöpfen von Papier (2017)

 

Papierschöpfen ist ein handwerklicher Vorgang, bei dem beide Hände, der Körper und das Fließen des Wassers in Einklang gebracht werden. Es gibt eine Art „Choreographie“ an der Bütte: Das Tauchen des Schöpfsiebes, das Herausheben und leichte Schütteln des Siebes, bis das Wasser abfließt, und das Gautschen des Bogens auf den Filz. Diese Schritte sind wichtig, um gleichmäßig dicke Bogen mit homogener Oberfläche zu schöpfen.

Jedes Handwerk orientiert sich an menschlichen Maßstäben. So sind auch beim Papierschöpfen die eigenen Maße mit dem Format verbunden: Etwa 1,70 m Körpergröße gestatten mir, Formate bis 60 x 80 cm zu schöpfen – nicht größer.

Der Umgang mit Wasser – sogar als Werkzeug für die Blattherstellung - ist für den Papierschöpfer von elementarer Bedeutung. Dieses Verständnis für das Fließen und die Geschwindigkeit des Wassers ermöglicht eine gleichmäßige Faserverteilung und lehrt den Schöpfenden Geduld und Demut, sowie eigene Begrenzungen zu erfahren und zu respektieren.

Die magischen Momente – das Herausheben des Schöpfsiebes und die Verfestigung der Fasern durch behutsames Schütteln, sowie die Geräusche des Wassers - sind Momente der großen meditativen Ruhe. Das Gefühl, Teil dieses Flusses zu sein, überträgt sich auf den Menschen.

Für mich liegt der Zauber von handgeschöpftem Papier darin, seine subtilen Details mit allen Sinnen wahrzunehmen, die ich durch viele Variablen mitbestimmen kann.

Der ästhetische Reiz und die Eigenschaften verschiedener Papiere lassen sich auf mikroskopischer Ebene mitgestalten. Ich habe festgestellt, dass sich je nach Mahlgrad der Fasern der Klang des Papiers verändert. Auch die Art Trocknung beeinflusst die Papieroberfläche. Die innere Ausgeglichenheit des Papierschöpfers spiegelt sich in seinen Bogen wider.

Neulich habe ich ein fast transparentes weißes Papier mit opaken weißen Linien gestaltet. Die Bogen wurden auf Holzbrettern getrocknet. Dabei entstand eine Holzmaserung in der Blattoberfläche - ein wunderschönes Detail, das erst auf den zweiten Blick sichtbar ist.

Dieses überraschende Element hilft wie jedes andere Detail auch, den gesamten Kosmos handgeschöpften Papiers zu begreifen. Papiermachen ist meine Passion seit fast vierzig Jahren.

 

 © John Gerard

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John Gerard über das Schöpfen von Papier
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Dieser Text wurde auch in dem sehr empfehlenswerten Buch "Papier: Material, Medium, Faszination", herausgegeben von Neil Holt und Nicola von Velsen, Prestel-Verlag, München 2018, S.34f., veröffentlicht.


"Ich male mit Papier" von Eva Masthoff, in: Grafische Kunst 1/ 2012, S. 14-18.

 

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Paperworks von John Gerard (1998)

John Gerard, ein amerikanischer Künstler und Papiermacher, eröffnete erstmals 1985 in Berlin seine Papierwerkstatt. Zu seinem Anliegen gehörte es, handgeschöpftes Papier und Papierbrei als Medium den Künstlern vorzustellen. Er möchte zeigen, daß Papier nicht allein Träger eines Bildes, sondern das Bild selbst sein kann.

Wichtigster Ausgangspunkt für sein Wirken ist die außergewöhnliche Verbindung zu Papier. Kreativer und experimenteller Umgang mit diesem Medium bedeutet für John Gerard nicht nur künstlerischen Eingriff in den Schöpfungsvorgang oder Verarbeitung bereits vorhandener Papiere durch Reißen, Collagieren und andere Techniken. Seine Auseinandersetzung mit dem Material beginnt auf elementarster Ebene – bei der Papierfaser selbst. Beschaffenheit und Eigenschaft des Faserstoffes sind Ausgangspunkte konzeptioneller Überlegungen für seine Schöpfungen. Verbunden mit weitreichenden historischen und technologischen Kenntnissen und Erfahrungen sowie handwerklich-technischer Perfektion bilden sie die Basiselemente seines Schaffens. Der Blattbildungsprozeß, in der industriellen Papierherstellung ein hoch-technisierter Vorgang, ist für Gerard ein kreatives Wirkungsfeld, in dem er sich innovativ bewegt. In dieser komplexen Sicht und Nutzung des Papiers als facettenreiche Ausdrucksmöglichkeit unterscheidet sich Gerard von anderen Papierkünstlern.

Gerards Arbeiten entwickeln sich von innen heraus. Materialbezogenen Sensibilität, Disziplin und Gründlichkeit im Herstellungsprozeß sind für ihn ebenso wesentlich wie die Anwendung traditioneller und die Entwicklung neuer künstlerischer Techniken (Einschließen von Materialien, Malen mit Faserbrei, Papiergüsse, Schöpfen mit Schablone u.a.) Die Möglichkeit, die der Faserstoff bietet, insbesondere sein Fließeigenschaften und haptischen Qualitäten, nutzt Gerard in seinem ideenreichen Wirken überzeugend aus. Die Grenzen des Materials werden systematisch ausgelotet und experimentell probiert. Das Thema „Papierschöpfungen“ nimmt so in einem stufenweisen Prozeß farblich und stoffliche Gestalt an. Mit diesem Ansatz gelang es ihm vor allem bei den buchorientierten Arbeiten immer wieder, Inhalt und Form, künstlerischen Gehalt und Gebrauchsfähigkeit auf hoher Ebene zu verbinden. Variationen im Umfang, Form, Farbigkeit, handwerklich-technischer Verarbeitung und künstlerischer Gestaltung scheinen dabei unerschöpflich.

Neben den Künstlerbüchern, die den Schwerpunkt in Gerards Werk bilden, richten sich seine Aktivitäten mit Collagen und Objekten auch auf den freien papierkünstlerischen Bereich. Die Grenzen zwischen beiden Wirkungsfeldern sind fließend. Klare Ordnungsprinzipien, Experimentierfreude und meditative Wirkung sind Elemente, die sich in den Arbeiten gleichermaßen finden.

Mit einer Reihe von Techniken, die er zum Teil in Amerika erlernt, variiert oder selbst entwickelt hat, bietet John Gerard in seiner Werkstatt eine breites Experimentierfeld. In gemeinsamen Buchprojekten mit verschiedenen Künstler fanden diese Techniken Anwendung. Gerards Wirken dabei geht über die Vermittlung besonderer Papiertechniken weit hinaus. Zumeist begleitet er den gesamten Entstehungsprozeß von der Auswahl der Rohstoffe für das Papier über das Schöpfen und Gestalten der Bogen bis hin zur Typographie, Druck und Einband. Dabei gelingt es ihm sich in einfühlsamer Weise auf die Thematik der Editionen einzulassen. Gedanken und Gefühle, die Lyriker im Wort festschreiben, finden in Gerards Papierschöpfungen bildhafte Umsetzungen.

In seinen Büchern und Leporellos erreicht Gerard die Trennung von Papier und Inhalt aufzuheben. Das was früher lediglich Beschreibstoff war, wird mit Gerard zu Ausdrucksträger. Gerard über seinen Werkstoff Papier: Seine vielfältigen Stärken, Strukturen und Oberflächen, seine Fähigkeit subtile Farbnuancen aufzunehmen und wiederzugeben sowie seine unverwechselbaren haptischen Qualitäten sind integrale Bestandteile meines Werkes. Text und Illustration stehen sich nicht mehr gegenüber, sondern werden zusammen wahrgenommen.

John Gerard, Jahrgang 1955, lebt seit zehn Jahren in der Nähe von Bonn und hat inzwischen über 60 Bücher, alles bibliophile Handpressendrucke, mit verschiedene Künstlern, Malern, Schriftstellern in kleinen Auflagen hergestellt.

 

Teile dieses Artikels wurden dem Aufsatz von Klaus-Dieter Lehmann entnommen, in:

Zeitschrift für Bibliothekswesen und Bibliographie 2/98, Heft 2, März/ April 1998, Seiten 197f.